top of page

Wie Kinder neue Nahrungsmittel probieren

Aktualisiert: 1. Juli 2022

Weshalb Streusel cool sind und Geschichten helfen



Was das Kind nicht kennt, isst es nicht

Neulich habe ich Rambutan zum ersten Mal in meinem Leben probiert. Kennst du nicht? Diese tropische Frucht kannst du gar nicht übersehen. Rambutan ist klein, rund und voll mit büschelartigen Stacheln. Ihr Fruchtfleisch ist weiß mit einem nicht genießbaren Kern. Sie schmecken süß-sauer und erfrischend. Geschmacklich ähneln sie Weintrauben. Während ich die kleine Frucht probierte, habe ich an mir den Ablauf eines evolutionsbiologischen Sicherheitsprogrammes beobachten dürfen: ich habe zunächst nur einen ganz kleinen Bissen in den Mund genommen und erst einmal nur geschmeckt. Dann ganz vorsichtig gekaut. Viele Male. Und erst als ich den Geschmack in Richtung eines mir bereits bekannten Geschmacks einordnen konnte (weintrauben-ähnlich) habe ich den zerkauten kleinen Bissen hinuntergeschluckt.


Ähnlich verhalten sich Kinder, wenn ihnen neue Nahrungsmittel zum Probieren angeboten werden. Denn unserem Essverhalten liegt ein Sicherheitsprogramm für die Speisenauswahl zugrunde – der sogenannte „mere exposure effect“: es wird nur das gegessen, was wir kennen! Kinder lernen das zu essen (und zu mögen), was ihnen kulturell bedingt angeboten wird. Dazu kann es nötig sein, bestimmte Nahrungsmittel immer wieder in unterschiedlicher Darreichungsform vorzusetzen.


Kinder besitzen angeborene Kompetenzen in Bezug auf Essen. Sie lernen Verantwortung für Appetit und Geschmack zu übernehmen und zeigen authentische Reaktionen am Esstisch. Sie wissen, wann sie Hunger haben und wann sie satt sind. Trotzdem passen die Bedürfnisse der Kinder und die Vorstellungen ihrer Eltern nicht immer übereinander.


So kann es vorkommen, dass Rosenkohl als neues Nahrungsmittel auf dem Speiseplan abgelehnt wird ohne ihn überhaupt probiert zu haben. Es gab ihn schließlich zuvor noch nie. Außerdem ist er grün und riecht komisch. Auch seine Konsistenz ist merkwürdig. Zwinge dein Kind nicht, den Rosenkohl zu probieren. Lade es dazu ein!


Dein Kind muss zunächst praktisch testen, dass der Verzehr eines neuen Lebensmittels „sicher“ ist. Dann kann es auch ein weiteres Mal gegessen werden. Akzeptiere es, wenn dein Kind den Rosenkohl nicht einmal probieren möchte. Freue dich, weil „mehr für dich übrigbleibt“ – dein Kind beobachtet dich genau. Wenn du selbst mit gutem Beispiel voran gehst und mit Genuss das runde Kohlgemüse verspeist, wird dein Kind durch Imitation beim nächsten Mal einen kleinen ersten Bissen probieren. Lass deinem Kind ausreichend Zeit, sich an neue Speisen zu gewöhnen. Denn: Zu Beginn unseres Lebens haben wir noch sehr feine Geschmacksnerven – die Bitterstoffe in grünen Gemüsesorten schmecken für empfindliche Kinderzungen besonders bitter. Pflanzengifte haben oft ebenfalls einen bitteren Geschmack. Die Abneigung gegen das Grünzeug bewahrte einst schon unsere Vorfahren vor dem Tod. Vermutlich liegt in unserer evolutionsbiologischen Programmierung auch ein Grund, dass Kinder bittere Lebensmittel zunächst ablehnen.


Für neue Geschmackserfahrungen sind Kleinkinder bis zwei Jahre sehr offen. Kinder zwischen zwei und sechs Jahren zeigen die größte Neophobie, d.h. Angst vor Neuem. Biete abgelehnte Nahrungsmittel in unterschiedlichen Kombinationen und Darreichungsformen an – gib nicht zu schnell auf! Ermutige dein Kind, neue Lebensmittel zu probieren und zu entdecken. Dazu ist es notwendig, für ein vielfältiges und abwechslungsreiches Geschmacksangebot zu sorgen. Und: Du brauchst Geduld! Es ist wiederholtes Probieren notwendig bevor dein Kind entscheidet, ob es ein Lebensmittel geschmacklich mag.


Biete Lebensmittel unbedingt auch einzeln an, damit dein Kind deren Eigengeschmack erfährt. Dieses Geschmackserlebnis verhinderst du, wenn du Ketchup als Option erlaubst, nur damit beispielsweise das Gemüse gegessen wird.


Fördere die Akzeptanz nährstoffdichter Nahrungsmittel, denn im frühen Kindesalter geprägte Geschmacksvorlieben werden bis ins Erwachsenenalter mitgenommen. Mach dein Kind neugierig auf Obst, Gemüse, Vollkornprodukte und Co. Du weißt doch: erstens- alles, was Streusel hat, ist cool. Und zweitens – alles war eine bestimmte Form hat, ist cool.


Richte doch einmal die Speisen besonders an. Aus einer Scheibe Brot, etwas Käse und ein paar Beeren wird so beispielsweise ganz einfach eine Regenwolke, hinter der die Sonne herauskommt. Eine kleine Raupe aus aufgespießten Weintrauben will ebenso verspeist werden wie der rote Paprika-Krebs mit Joghurt-Dip. Das Auge isst schließlich mit!


Essen am Spieß bedeutet immer besondere Spannung. Der Teller sollte möglichst bunt sein. Lass der kindlichen Fantasie freien Lauf. Gemischt werden darf alles, was schmeckt und Spaß macht. Auch unterschiedliche Konsistenzen sehen spannend aus und laden zum Essen ein.


Kinder lieben es, wenn Nahrungsmittel Geschichten erzählen. Dann wird auch schnell vergessen, dass da eigentlich Obst und Gemüse auf dem Teller liegen.


11 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page